Persönlichkeitstests

Hier wird zuerst diskutiert, was eine Persönlichkeitseigenschaft eigentlich ist. Danach folgt eine kurze Präsentation verschiedener Modelle der Persönlichkeitstheorie. Der Umfang der Darstellung musste begrenzt werden und die Ausführungen konzentrieren sich deswegen auf eigenschaftspsychologische Modelle. Diese liegen nämlich verschiedenen bekannten Testverfahren zugrunde, aus denen das Fünf-Faktoren-/Big-Five-Modell entwickelt wurde, das wiederum das Rückgrat moderner Persönlichkeitsforschung ausmacht.

 

Was ist eine Persönlichkeitseigenschaft?

Eine Persönlichkeitseigenschaft (auf Englisch: trait) kann als eine Prädisposition verstanden werden, auf eine bestimmte Weise zu denken, zu fühlen und zu handeln. Diese Prädisposition ist dafür verantwortlich, dass eine gewisse Konstanz im Verhalten der jeweiligen Person über verschiedene Situationen hinweg entsteht. Man kann sagen, dass eine Persönlichkeitseigenschaft beeinflusst, wie eine Person handelt, aber auch was sie zu tun gedenkt. Selbstverständlich hat auch die jeweilige Situation Einfluss darauf, welches Verhalten wir zeigen. (Gewisse Situationen können sehr „zwingend“ sein, weshalb sich fast alle Personen sich in solchen Situationen gleich verhalten. Andere Situationen wiederum lassen großen Spielraum für Verhaltensvarianten.)

Die Bedeutung einer Eigenschaft lässt sich an folgendem Beispiel darstellen: Eine Person ist sehr scheu. Diese Person wird es meistens vermeiden, vor großen Gruppen Reden zu halten. Es bedeutet jedoch nicht, dass diese Person dies immer vermeiden wird. In einigen Situationen im Leben werden die an sie gestellten Erwartungen vermutlich so stark sein, dass sie trotzdem vor einer großen Gruppe sprechen wird. Dies geschieht wahrscheinlich nach sorgfältigen Vorbereitungen und viel Üben. Genauso wird die Eigenschaft dafür verantwortlich sein, dass sie von vorneherein gewisse Berufe vermeidet, z.B. Tätigkeiten, die Verkauf und Marketing beinhalten.

Es ist deswegen wichtig, Persönlichkeit und Verhalten (oder Persönlichkeit und Kompetenz) nicht gleichzusetzen. Eine Eigenschaft beeinflusst zwar unser Verhalten, sie bestimmt es aber nicht zwingend. Man kann sich durchaus konträr zu dem verhalten, was einem „natürlicherweise“ liegt, auch wenn es viel Energie kostet und sich unangenehm anfühlt, insbesondere wenn man dies über längere Zeit hinweg macht. Analog dazu kann man Kompetenzen entwickeln, die nicht von der eigenen Persönlichkeit gestützt werden: Die sehr schüchterne Person kann sich mit viel Übung zu einem recht guten Redner entwickeln; der sehr freundliche und etwas konfliktscheue Chef kann lernen, ehrlich und offen Feedback zu geben; der spontane und unstrukturierte Unternehmer kann lernen, die Buchhaltung zu führen usw. Man kann aber davon ausgehen, dass man Kompetenzen leichter entwickelt und ihre Nutzung als einfacher und angenehmer empfindet, wenn die Persönlichkeit die aktuelle Kompetenz stützt.

Was ist die Substanz einer Persönlichkeitseigenschaft? Es ist nicht leicht, eine klare Antwort auf diese Frage zu geben. Die später vorgestellten Theoretiker gehen davon aus, dass es biologische Ursachen der interindividuellen Variationen bei den einzelnen Eigenschaften gibt, z.B. Unterschiede in der Struktur des zentralen Nervensystems, Unterschiede im Hormonniveau oder Eigenheiten in den Synapsen oder Transmittersubstanzen. Eysenck versuchte, wie unten beschrieben wird, solche Zusammenhänge zu beweisen. Man konnte aber zeigen, dass ein Großteil der Variation in den Persönlichkeitseigenschaften genetisch determiniert ist, während die Umwelt geringeren Einfluss haben soll, zumindest für die breiten, grundlegenden Persönlichkeitsdimensionen (s. z.B. McCrae & Costa, 2003). Cattell (1982) berechnete die genetische Determinierung seiner spezifischeren Primärfaktoren. Bei ihm variieren die Werte stärker.

Wenn bis jetzt von einer Persönlichkeitseigenschaft die Rede war (z.B. Scheu), ist damit eigentlich das Ende (ein Pol) einer Persönlichkeitsdimension gemeint. Persönlichkeitsdimensionen werden normalerweise bipolar betrachtet, d.h. sie verlaufen von einem Pol über einen „Nullpunkt“ hinweg zu einem entgegengesetzten Pol. Forscher sprechen von Extraversion vs. Introversion, Stabilität vs. Labilität, Offenheit vs. Geschlossenheit, Selbstkontrolle vs. Spontanität usw. Der „Nullpunkt“ ist dort, wo die beiden gegensätzlichen Qualitäten im Gleichgewicht sind, also dort, wo keine der gegensätzlichen Beschreibungen die andere dominiert. Testskalen generieren Punktwerte, die zeigen, wo eine Testperson auf solchen bipolaren Persönlichkeitsdimensionen liegt. Dabei bedeuten hohe Punktzahlen, dass man eher zum einen Ende gehört (z.B. Extraversion) und niedrige Punktzahlen, dass man eher zum anderen Ende gehört (z.B. Introversion). Dabei bedeuten niedrige Punktwerte keinesfalls automatisch, dass man bei einer Persönlichkeitsdimension „schlecht“ abschneidet. Persönlichkeitstests sind eben keine Leistungstests, in denen es darum geht, möglichst viele Aufgaben richtig zu lösen. Man könnte die Punktevergabe durchaus auch umkehren, so dass z.B. viele Punkte Introversion aufzeigen und wenig Punkte Extraversion. Welcher Pol einer Persönlichkeitsskala mit hohen bzw. niedrigen Punktwerten indiziert werden soll, ist eine Wahl, die man als Testkonstrukteur trifft. Man sollte auch bedenken, dass die meisten Personen etwa um den „Nullpunkt“ liegen, d.h. recht balanciert in einer Persönlichkeitsdimension sind. Ein Durchschnittswert auf einer Testskala deutet auf eine solche Balance hin.

Korrelationskoeffizient und Faktorenanalyse

Später werden einige wichtige Persönlichkeitsmodelle vorgestellt. Diese Modelle basieren auf Untersuchungen, die mit Hilfe der statistischen Methode der Faktorenanalyse durchgeführt wurden. Für das Verständnis der Modelle und anderer Teile dieses Textes ist es wichtig, dass man die Methode in ihren Grundzügen versteht. Die Faktorenanalyse baut auf Korrelationskoeffizienten auf, weshalb zunächst das Konzept des Korrelationskoeffizienten vorgestellt wird.

Korrelationskoeffizient

Der Korrelationskoeffizient (r) misst den Grad des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen. Er kann Werte von +1.0 bis −1.0 annehmen. Bei r=+1.0, besteht ein vollständig positiver Zusammenhang zwischen den beiden Variablen; liegt man also z.B. hoch bei der einen Variablen, liegt man auch hoch bei der anderen. Das bedeutet: Wenn man den Wert der einen Variablen kennt, kennt man auch den genauen Wert (oder Rangplatz) der anderen Variablen. Bei r=–1.0 gilt, dass der Zusammenhang vollständig negativ ist, d.h. ein hoher Wert bei der einen Variablen bedeutet ein niedriger Wert bei der anderen. Ist r=0.0 besteht kein Zusammenhang zwischen den Variablen.

Würde man z.B. Länge und Gewicht von 100 Personen messen und dann diese beiden Maße miteinander korrelieren, würde man vielleicht einen Korrelationskoeffizienten von etwa +0.7 erhalten. Dieser Wert drückt aus, dass Personen, die groß sind auch tendenziell mehr wiegen (oder anders betrachtet, dass die Personen, die viel wiegen, tendenziell größer sind). Aber die Korrelation ist nicht vollständig positiv, weil es sowohl große und sehr schlanke (leichte) Menschen gibt als auch kleine und sehr dicke (schwere). Immerhin: Kennt man z.B. die Größe einiger Personen, kann man deren Gewicht schätzen – und das viel besser als ohne jegliche Information über deren Größe.

Im Beispiel unten werden folgende Skalen eines Persönlichkeitstests miteinander korreliert:

Persönlichkeitstests

Einige Korrelationskoeffizienten der Korrelationsmatrix sind fett gedruckt. Sie zeigen höhere Korrelationen zwischen den Skalen. Es scheint, als könnte man die Skalen so gruppieren, dass Geselligkeit, Lebhaftigkeit und Optimismus zu einer Gruppe und Selbstsicherheit, Stabilität und Stresstoleranz zu einer anderen Gruppe gehören. Planung korreliert mit keiner der anderen Skalen und liegt auch außerhalb der beiden Gruppen.

Die Korrelationsmatrix besteht aus Korrelationen zwischen 6 Variablen. Manchmal hat man aber viel mehr Variablen und dann wird es schnell schwierig, Gruppen korrelierender Variablen zu finden. Außerdem sind die Variablen selten von Anfang an so gut sortiert wie im obigen Beispiel und sie sind auch nicht oft so deutlich hoch oder niedrig korreliert.

Die Faktorenanalyse

Variablen, die miteinander korrelieren, haben etwas Gemeinsames. Dieses Gemeinsame kann als eine Einflussgröße bzw. als ein Faktor verstanden werden, die bzw. der sämtliche miteinander korrelierende Variablen beeinflusst. Die Faktorenanalyse, die in der Regel mit entsprechender Software durchgeführt wird, sucht solche gemeinsamen Faktoren in Korrelationsmatrizen auf und präsentiert sie.

Eine solche Präsentation kann wie folgt aussehen:

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Die Ziffern, die unter Faktor 1 und Faktor 2 stehen, werden Faktorladungen genannt. Sie drücken die Korrelation einer Variablen mit einem Faktor aus. Manchmal verzichtet man der Überschaubarkeit wegen darauf, niedrige Faktorladungen zu zeigen.

Die Faktorenanalyse gibt den gefundenen Faktoren keine Bezeichnung. Das muss man selbst machen und dies ist ein subjektiver Moment des Prozesses. Wenn man einem Faktor einen Namen geben möchte, betrachtet man zuerst, welche Variablen Ladungen im Faktor aufweisen (d.h. mit dem Faktor korrelieren). In der Tabelle weisen Geselligkeit, Lebhaftigkeit und Optimismus Ladungen im Faktor 1 auf. In Anlehnung an die gängige Persönlichkeitstheorie könnte man diesen Faktor „Extraversion“ bezeichnen. Selbstvertrauen, Stabilität und Stresstoleranz weisen Ladungen im Faktor 2 auf. Dieser Faktor könnte „niedrigen Neurotizismus“ ausdrücken, also „emotionale Stabilität“. Dies ist eine andere bekannte Persönlichkeitsdimension. Eine Faktorenanalyse geschieht in mehreren Schritten. Diese eingehender zu beschreiben, sprengt jedoch den Rahmen des hier Möglichen.

Wichtige Persönlichkeitsmodelle (Eigenschaftsmodelle)

Die folgenden Modelle wurden ausgewählt, weil die hinter ihnen stehenden Forscher mit Persönlichkeitseigenschaften arbeiten und weil sie hauptsächlich empirisch arbeiten (Empirismus = Wissen, das auf messbaren oder eindeutig identifizierbaren Erfahrungen basiert). Sie entwickelten auch Tests, um ihre Modelle zu operationalisieren, um sie also messbar und dadurch überprüfbar zu machen. Aus diesen Gründen wird G. W. Allport nicht vorgestellt, auch wenn er als erster Eigenschaftstheoretiker betrachtet wird. Wer an Allport interessiert ist, sei auf eines seiner Bücher verwiesen (z.B. Allport, 1937, 1961).

Joy Paul Guilford (1897–1988)

Joy Paul Guilford (1897–1988)Guilford bekam von Eysenck (1985) die Ehre zuerkannt, der erste zu sein, der in systematischer Weise faktorenanalytische Techniken zur Messung von Persönlichkeitseigenschaften einsetzte. Ab Mitte der 1930er Jahre entwickelten er und seine Mitarbeiter verschiedene Fragebögen zur Messung von Temperamentsdimensionen (Persönlichkeitsdimensionen).

 

Guilford-Taxonomie für Temperamentsdimensionen

Ähnlich wie bei seiner bekannteren Intelligenztheorie stellte Guilford (1959, S. 409) eine Taxonomie (ein Klassifizierungsprinzip) für Temperamentsdimensionen auf, deren Faktoren er dann in verschiedenen Untersuchungen zu bestätigen versuchte. Guilford meinte selbst, dass ihm dies nicht richtig gelungen sei. Die unten vorgestellten Dimensionen sind diejenigen, für die Guilford und seine Mitarbeiter Skalen konstruieren konnten und die mit dem Test GZTS (Guilford Zimmerman Temperament Survey) gemessen werden können. Der GZTS hatte einige kürzere Vorgänger, die zusammengefasst wurden; redundante Skalen wurden dabei zusammengefügt. Andere Forscher konnten, F ausgenommen, alle Skalen des GZTS replizieren (Amelang & Bartussek, 1990).

Skalen des GZTS

G General Activity (Energie, Tempo vs. Inaktivität)

R Restraint (Selbstkontrolle, Ausdauer vs. Impulsivität)

A Ascendancy (Selbstbehauptung, Führung vs. Unterwerfung)

S Sociability (Geselligkeit, Kontaktfreudigkeit vs. Schüchternheit)

E Emotional Stability (Gemütsruhe, Gelassenheit vs. emotionale Instabilität)

O Objectivity (Sachlichkeit, Objektivität vs. Subjektivität)

F Friendliness (Respekt vs. Feindlichkeit)

T Thoughtfulness (Reflektierend, observierend vs. unreflektiert)

P Personal Relations (Akzeptanz vs. kritische Einstellung)

M Masculinity (Interesse für männliche Aktivitäten vs. Interesse für weibliche Aktivitäten)

Guilford (1976) stellt faktorenanalytische Ergebnisse vor, in denen die Dimensionen des GZTS, sowie einige Dimensionen seiner früheren Tests, zu breiteren, übergreifenden Dimensionen zusammengefasst wurden. Unten werden nur die Skalen des GZTS gezeigt, sortiert nach diesen übergreifenden Dimensionen.

SA: Social Activity

S: Sociability + A: Ascendancy + G: General Activity

 

IE: Introversion/Extraversion

R: Restraint + T: Thoughtfulness

 

E: Emotional Stability

O: Objectivity

 

Pa: Paranoid Disposition (niedrig)

O: Objectivity + F: Friendliness + P: Personal Relations

E: Emotional Stability und Pa: Paranoid Disposition (niedrig) werden zu einer noch übergreifenderen Dimension zusammengefasst: EH: Emotional Health

Diese hierarchische Einteilung wurde von anderen Forschern kritisiert. Amelang & Borkenau (1982) erhielten andere Ergebnisse. Amelang & Bartussek (1990) meinen jedoch, dass die Arbeiten von Guilford für die Persönlichkeitsforschung sehr wichtig waren. Forscher würden sich nicht nur von der Anwendung der Faktorenanalyse im Persönlichkeitsbereich inspirieren lassen, sondern sich auch bei der Konstruktion eigener Testskalen bei Guilfords Items (Testfragen) bedienen (z.B. Eysenck).

Hans J. Eysenck (1916–1997)

Hans J. Eysenck (1916–1997)Anders als die übrigen hier vorgestellten Eigenschaftstheoretiker suchte Eysenck biologische Erklärungen für seine postulierten Persönlichkeitseigenschaften. Seine Vorgehensweise war dabei „hypothetisch-deduktiv“, d.h. Eysenck stellte Hypothesen auf, aus denen er logische Schlüsse zog, die dann in verschiedenen Experimenten auf ihre Richtigkeit überprüft wurden. Eysenck arbeitete also eher klassisch, allgemein-experimentell. Er nutzte die Faktorenanalyse, um Hypothesen zu generieren, aber auch um sie zu überprüfen.

Hier interessiert uns vor allem Eysencks Persönlichkeitsmodell, das zum großen Teil mit Hilfe faktorenanalytischer Methodik entwickelt wurde. Das Modell wurde mit der Zeit weiterentwickelt; anfänglich nur von zwei breiten Dimensionen ausgegangen (Extraversion und Neurotizismus), fügte Eysenck eine dritte hinzu: Psychotizismus. Diese drei Dimensionen befinden sich auf dem höchsten hierarchischen Niveau, das von Eysenck Typenniveau genannt wurde. Unter dem Typenniveau kommt das Eigenschaftsniveau (Traitniveau), d. h. jede Typendimension hat mehrere untergeordnete Eigenschaften. Unten folgt eine Aufstellung der Typendimensionen mit den jeweils zugehörigen Eigenschaften (aus Eysenck, 1985). Die Eigenschaften geben auch ein Bild davon, was jede Typendimension misst.

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Eysenck arbeitete anfänglich bei der Konstruktion seiner Testskalen mit klinischen Gruppen, während Guilford und Cattell (s. nächster Abschnitt) nicht-klinische Gruppen verwendeten. Eysenck passte die Tests allerdings nachträglich an die Normalbevölkerung an und die drei Dimensionen (P, E und N) werden als allgemeingültig betrachtet, d.h. die klinischen Fälle entsprechen nur Extremwerten auf diesen Dimensionen.

Eysencks biologische Erklärungsmodelle

Im Hinblick auf die Eigenschaft des Neurotizismus geht Eysenck davon aus, dass das limbische System von Personen mit hohen Neurotizismuswerten besonders leicht erregbar ist. Das limbische System ist ein entwicklungsgeschichtlich relativ alter Teil des Gehirns, der für die emotionale Färbung verschiedener Informationen verantwortlich ist, die dann von anderen Teilen des Gehirns bearbeitet werden. Es macht einen zentralen Teil des autonomen Nervensystems aus (reguliert das Funktionieren der inneren Organe), das bei neurotischen Personen ungewöhnlich stark reagieren soll.

Für Extraversion betrachtete Eysenck das ARAS (Ascending Reticular Activating System) als biologische Grundlage. Das ARAS ist ein Teil des Gehirnstammes, der höher liegende Prozesse im Gehirn aktiviert. Bei sehr extrovertierten Personen ist das ARAS laut Eysenck weniger aktiv und das Gehirn sehr extrovertierter Personen wird deswegen weniger stimuliert als das weniger extrovertierter Personen. Extrovertierte Personen brauchen deshalb mehr äußere Stimulanz in der Form von Sinneseindrücken, um nicht unterstimuliert (und gelangweilt) zu sein. Bei introvertierten Personen (d.h. Personen, die wenig extrovertiert sind) gilt das Umgekehrte; bei ihnen ist das ARAS sehr aktiv und sie müssen sich eher vor äußere Stimulierung schützen, um nicht überstimuliert zu werden. Dies soll die Ursache dafür sein, dass Introvertierte z.B. Menschenmassen meiden und allgemein leisere und ruhigere Umgebungen bevorzugen.

Auch wenn Eysenck meinte, dass das limbische System und ARAS zwei selbstständige Systeme sind, beeinflussen sie sich gegenseitig. Wie sie genau interagieren ist aber schwer zu prüfen (Eysenck, 1985, S. 218).

Für Psychotizismus stellte Eysenck keine gleich durchgearbeitete biologische Theorie auf wie für Extraversion und Neurotizismus. Eysenck (1992) nahm ein Kontinuum an, das sich von empathischem/altruistischem/sozialisiertem Verhalten über psychopatisches/antisoziales Verhalten bis hin zu psychotischem/schizophrenem Verhalten erstreckt. Biologisch gesehen spekulierte er über eine Relation zu Männlichkeit (inkl. XYY-Chromosomenabweichungen) und/oder zum Enzym Monoaminoxidase (MAO) und zum Neurotransmitter Serotonin.

Eysenck untersuchte auch Interaktionseffekte zwischen den drei Dimensionen. Er meint z.B., dass hysterische Personen oft extrovertiert und neurotisch sind, während sonstige Neurosen eher mit Introversion und Neurotizismus einhergehen. Kriminelle Personen erzielen eher hohe Werte in allen drei Dimensionen. Vor allem sind aber hohe Werte in der Psychotizismusdimension kennzeichnend sowie die Impulsivitätsfacette der Extraversionsdimension (später verschob Eysenck die Impulsivitätsitems von der Extraversionsskala zur Psychotizismusskala).

Eysencks Theorien wurden von ihm und seinen Mitarbeitern in unzähligen Experimenten überprüft: Mittels EEG-Messungen der Gehirnaktivität, Ausführung verschiedener motorischer Aufgaben, Messung der Reaktionen auf Stimuli nach Einnahme verschiedener Pharmazeutika usw.

Raymond B. Cattell (1905–1998)

Raymond B. Cattell (1905–1998)Cattells Forschungsbemühungen umfassten viele Gebiete, wobei Cattell tief in die jeweiligen Themen eindrang. Seine Forschung hatte mehrere Ziele, eines davon war die Aufstellung einer erschöpfenden Taxonomie für die Messung und Beschreibung der Persönlichkeit. Cattell bediente sich bei der Entwicklung dieser Taxonomie der lexikalischen Methode. Hintergrund dieser Methode ist, dass die menschliche Natur immer ein derart wichtiges Anliegen der Menschen gewesen ist, dass wohl alle ihre wichtigen Aspekte ein Wort bekommen haben. Cattell ging von Allports & Odberts (1936) Sammlung von 4 500 persönlichkeitsbeschreibenden Adjektiven aus. Diese wurden schrittweise auf 160 Adjektive reduziert und um Cattells eigene 11 erweitert. Diese 171 Variablen dienten Cattell als Ausgangspunkt seiner Untersuchungen.

Cattell suchte nach sog. Source Traits, die er von Surface Traits unterscheidet. Surface Traits sind, wie der Name andeutet, Eigenschaften, die einfach wahrzunehmen sind und sich deswegen leicht mit Hilfe von Beobachtungen und Fragebögen feststellen lassen. Source Traits sind nach Cattell latente Faktoren, die determinierend (bestimmend) für verschiedene Verhaltensweisen sind. Die Source Traits fand Cattell mit Hilfe der Faktorenanalyse. Während Eysenck und später auch Costa & McCrae auf breite, übergreifende Dimensionen fokussierten, konzentrierte sich Cattell von Anfang an auf engere sog. „Primäre Traits“ (etwa die Facettendimensionen des NEO-PIR oder EPI-Dimensionen auf Traitniveau). Auf diesem Niveau fand Cattell seine Source Traits. Cattell extrahierte aber auch breitere sekundäre Faktoren, Faktoren zweiter Ordnung (s. unten)

Um die tieferliegenden Schichten der Persönlichkeit (Source Traits) aufzufinden, faktorenanalysierte Cattell nicht nur übliche Persönlichkeitstestitems. Cattell nahm vielmehr drei verschiedene Datenarten als Ausgangspunkt: L-, Q- und OT-Data. L-Data (Life Record) entsprechen konkret beobachtbarem Verhalten, das von Beobachtern registriert werden kann (Fremdratings). Das Verhalten wird in natürlichen Situationen beobachtet (d.h. nicht in künstlichen Laborsituationen). Q-Data (Questionnaire Data) werden mit Hilfe von Selbstratings gesammelt (z.B. durch Beantwortung einer der vielen Persönlichkeitstests wie BP, 16PF oder EPI). OT-Data (Objektive Test Data) werden durch das Registrieren des Verhaltens von Versuchspersonen in kontrollierten Versuchssituationen (Laborsituationen) gewonnen. Wenn Cattell von objektiv spricht, meint er Tests/Verfahren, bei denen die Versuchsperson nicht versteht, was gemessen wird, und ihre Antworten/ihr Verhalten nicht in Richtung positiver Selbstdarstellung steuern kann.

Bei seinen Faktorenanalysen mit L-Data (Fremdratings) fand Cattell mehrere Faktoren, die den Source Traits der Normalpersönlichkeit entsprechen sollten. In einem weiteren Schritt untersuchte er, ob die gleichen Faktoren sich auch in Q-Data (Selbstratings) fanden. In mehreren Fällen konnte Cattell in Q-Data die gleichen Faktoren finden, die er zuvor in L-Data gefunden hatte.

Auf diesen Forschungsergebnissen basiert Cattells 16PF, auch heute noch ein weit verbreiteter Persönlichkeitstest. Cattells 16PF misst 16 Persönlichkeitsfaktoren. Die hier vorgestellte Version ist die fünfte Version des 16PF (die erste Version wurde 1949 publiziert). 16PF war jahrelang massiver Kritik verschiedener Forscher ausgesetzt. Dabei ging es hauptsächlich darum, dass Forscher außerhalb Cattells eigener Forschergruppe die 16 Faktoren nicht finden konnten, als sie 16PF faktorenanalysierten. Man muss aber berücksichtigen, dass ein Großteil der Kritik auf Untersuchungen zurückgeht, die mit früheren 16PF-Versionen durchgeführt wurden. Die Skalen der fünften Version zeigen deutlich bessere psychometrische Werte. Unten werden die Skalen der fünften Version des 16PF beschrieben:

A Wärme (warmherzig vs. reserviert)

B Logisches Schlussfolgern (hohe Denkfähigkeit vs. niedrige Denkfähigkeit)

C Emotionale Stabilität (emotional stabil vs. stimmungslabil)

E Dominanz (dominant vs. nachgiebig)

F Lebhaftigkeit (lebhaft vs. ernst)

G Regelbewusstsein (regelbewusst vs. unangepasst)

H Soziale Kompetenz (sozial kompetent vs. scheu)

I Empfindsamkeit (empfindsam vs. sachlich)

L Wachsamkeit (wachsam vs. vertrauensvoll)

M Abgehobenheit (abgehoben vs. lösungsorientiert)

N Privatheit (verschlossen vs. offen)

O Besorgtheit (besorgt vs. selbstsicher)

 

Q1 Offenheit für Veränderung (offen für Veränderung vs. am Gewohnten haftend)

Q2 Selbstgenügsamkeit (selbstgenügsam vs. sozial orientiert)

Q3 Perfektionismus (perfektionistisch vs. flexibel)

Q4 Anspannung (angespannt vs. entspannt)

Von diesen 16 Dimensionen (Source Traits) fand Cattell alle außer Q1 bis Q4 in L-Data und in Q-Data. Q1 bis Q4 fand er nur in Q-Data. Wie man oben sehen kann, fehlen einige Buchstaben bei den Skalenbenennungen. Bei den fehlenden Faktoren handelt es sich um Faktoren, die Cattell in L-Data (und manchmal auch in Q-Data bei Kindern/Jugendlichen) fand, aber nicht eindeutig in Q-Data bei Erwachsenen. Cattell war aber davon überzeugt, dass auch diese Source Traits existieren. Er benannte sie: D: Excitability, J: Coastenia (Thinking Neurasthenia), K: Social Concern (Matured Socialization). Außerdem identifizierte Cattell einige Q-Faktoren (bis hin zu Q8).

Wie schon erwähnt, extrahierte Cattell auch Faktoren zweiter Ordnung, sog. Globale Faktoren. Diese Faktoren können in der fünften Version des 16PF ausgerechnet werden und bilden folgende Skalen:

EX Extraversion (extrovertiert vs. introvertiert)

AN Ängstlichkeit (selbstunsicher vs. zufrieden mit sich selbst)

TM Unnachgiebigkeit (konservativ vs. offen)

IN Unabhängigkeit (eigensinnig vs. entgegenkommend)

SC Selbstkontrolle (selbstbeherrscht vs. impulsiv)

Extraversion und Ängstlichkeit entsprechen im Großen und Ganzen Extraversion und Neurotizismus im Fünf-Faktoren-Modell (s. nächstes Kapitel) wie auch den gleichnamigen Dimensionen von Eysenck. Selbstkontrolle hat viel mit Gewissenhaftigkeit gemeinsam. Unnachgiebigkeit hat einiges mit Offenheit (negative Beziehung) und Unabhängigkeit mit Verträglichkeit (ebenfalls negative Beziehung) gemeinsam. Cattell und Mitarbeiter konstruierten auch hunderte von Tests/Messverfahren, um die Persönlichkeitsdimensionen durch OT-Data messen zu können (Cattell & Warburton, 1967).

Cattell unternahm mehrere Versuche, die gleichen Faktoren in OT-Data zu finden wie in L- und Q-Data. Auch wenn sich einige Zusammenhänge zwischen den Datentypen finden ließen, waren die Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Erst ziemlich spät gelang es Forschern, die Ergebnisse aus den verschiedenen Datentypen zu integrieren, wobei dies auf dem Niveau zweiter Ordnung geschah, d.h. auf Globalfaktorenniveau/Big-Five-Niveau. Cattell, der immer behauptete, man solle auf das Primärfaktorenniveau fokussieren, war wohl kaum mit diesen Ergebnissen zufrieden. Vermutlich liefert seine Forschung die bis jetzt stärksten Beweise dafür, dass die von Messtechniken unabhängigen Dimensionen der Persönlichkeit auf dem Niveau zweiter Ordnung gefunden werden können. Diese Dimensionen existieren dann unabhängig vom „Filter“ Mensch („Filter“ in dem Sinne, dass man sich bei der Beantwortung von Persönlichkeitstests selbst beurteilt (Q-Data) oder dass man andere durch Fremdratings beurteilt (L-Data)). Die Dimensionen, bei denen man die deutlichste Übereinstimmung zwischen den Datentypen fand, sind Extraversion, Neurotizismus und eine Selbstkontrolldimension, d.h. Cattells globaler Faktor Selbstkontrolle (Cattell, 1983).

Das Ziel Cattells, eine gemeinsame Taxonomie für die Persönlichkeitsforschung zu schaffen, wurde am ehesten im Rahmen des Fünf-Faktoren-Modells (s. nächstes Kapitel) erreicht.

Das Fünf-Faktoren-Modell (McCrae & Costa)

R R McCraeDas Fünf-Faktoren-Modell (Big-Five-Modell, FFM) entstand, weil mehrere Forscher (Fiske, 1949; Tupes & Christal, 1961; Norman, 1963; McCrae & Costa, 1987) bei der Faktorenanalyse verschiedener Datensätze immer wieder fünf relativ unabhängige Faktoren fanden (Selbstratings und Fremdratings, d.h. Cattells L- und Q-Data entsprechend). McCrae & Costa konstruierten einen Test, den NEO PI-R, der heute das Standardinstrument für die Messung der fünf Faktoren ist. Deswegen wird hier auf diesen Test und die Arbeit von McCrae & Costa näher eingegangen.

PT CostaMcCrae & Costa benutzten zu Beginn ihrer Untersuchungen einen Persönlichkeitstest zur Messung von drei Persönlichkeitsdimensionen, das NEO-Inventar mit den Skalen Neurotizismus, Extraversion und Offenheit. In einer Untersuchung von 1985 wurde das NEO-Inventar zusammen mit u.a. Adjektivskalen ausgewertet, die fünf Faktoren maßen. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Untersuchung fügten McCrae & Costa ihrem NEO-Modell zwei Skalen hinzu. Die beiden neuen Skalen waren Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit und der Test wurde jetzt NEO-PI genannt.

Das NEO-PI-R (die revidierte Version von NEO-PI) hat folgenden Skalen:

Neurotizismus (N-Skala)

N1 Ängstlichkeit

N2 Reizbarkeit

N3 Depression

N4 Soziale Befangenheit

N5 Impulsivität

N6 Verletzlichkeit

Extraversion (E-Skala)

E1 Herzlichkeit

E2 Geselligkeit

E3 Durchsetzungsfähigkeit

E4 Aktivität

E5 Erlebnishunger

E6 Frohsinn

Offenheit für Erfahrungen (O-Skala)

O1 Phantasie

O2 Ästhetik

O3 Gefühle

O4 Handlungen

O5 Ideen

O6 Werte

Verträglichkeit (A-Skala)

A1 Vertrauen

A2 Freimütigkeit

A3 Altruismus

A4 Entgegenkommen

A5 Bescheidenheit

A6 Gutherzigkeit

Gewissenhaftigkeit (C-Skala)

C1 Kompetenz

C2 Ordentlichkeit

C3 Pflichtbewusstsein

C4 Leistungsstreben

C5 Selbstdisziplin

C6 Besonnenheit

Im Gegensatz zu Cattell fokussieren McCrae & Costa auf breite Faktoren zweiter Ordnung. Jede breite Dimension hat aber sechs Facetten. Dass es gerade sechs Facetten pro Big-Five-Faktor sein sollen, ist allerdings nicht selbstverständlich. Costa, McCrae & Dye (1991, S. 888) begründeten ihre Begrenzung auf sechs Facetten damit, dass es zu schwierig für den Anwender sei, sich an noch mehr Skalen zu erinnern.

Einer der größten Vorteile des Fünf-Faktoren-Modells ist seine Akzeptanz und häufige Anwendung in der Persönlichkeitsforschung. Das Modell führte dazu, dass die Persönlichkeitsforschung einheitlicher wurde. Es erleichtert die Vergleichbarkeit der Ergebnisse verschiedener Forscher, wenn dieselben Persönlichkeitsdimensionen verwendet werden. Forschungsergebnisse können auch viel einfacher zusammengefasst werden. Ein Beispiel dafür sind die Metaanalysen, bei denen Ergebnisse von manchmal mehreren hundert Forschungsberichten und Artikeln zusammengefasst werden.

 

Psytest-Persönlichkeitstest: BP Basprofil

Unabhängig von dem Messverfahren scheint man von der Existenz von mindestens drei breiten Persönlichkeitsdimensionen ausgehen zu können (die übrigens Eysencks Dimensionen sehr ähnlich sind):

Extraversion – Introversion

Neurotizismus – Emotionale Stabilität

und eine Art Struktur/Kontrolldimension, z.B. Selbstkontrolle – Impulsivität.

Wendet man nur Messverfahren an, bei denen der Mensch „zwischengeschaltet“ ist (als Selbst- oder Fremdbeurteiler), scheinen fünf Dimensionen eine gesicherte und stabile Lösung zu sein.

Welche Gründe gibt es, mit einem neuen Persönlichkeitstest mehr als fünf Dimensionen zu messen? Mehrere Ergebnisse weisen darauf hin, dass man Berufserfolg besser mit differenzierteren Persönlichkeitsmodellen prognostiziert. Mershon & Gorsuch (1988) zeigen, dass man im Durchschnitt 110 % mehr Varianz in verschiedenen Kriterienvariablen aufklärt, wenn man 16PF auf Primärfaktorenniveau statt auf Globalfaktorenniveau benutzt. Hough (1992) und Vinchur et al. (1998) zeigen, dass es sich im Hinblick auf eine bessere Kriterienaufklärung lohnt, Extraversion in Stärke und Geselligkeit aufzuteilen und Gewissenhaftigkeit in Leistung und Zuverlässigkeit.

BP Basprofil

BP Basprofil umfasst 137 Fragen, deren Bearbeitung etwa 20–25 Minuten dauert. Im Folgenden werden die Skalen beschrieben. Die Ziffern in Klammern geben die Anzahl Items pro Skala an. Die ersten drei Skalen sind Antriebsskalen. Die folgenden beiden (GES und EIN) sind Extraversionsskalen, d.h. zwei Facetten von Extraversion.

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(137)

Als Psychologe kann man BP Basprofil direkt, ohne spezifische Testausbildung, benutzen. Auch Personalberater und Personalleiter können BP selbstständig nach einer Lizenzausbildung anwenden. Es gibt außerdem die Möglichkeit, ohne Ausbildung auf das Expertensystem Dr. Lindstam zurückzugreifen, das einen Bericht basierend auf BP-Ergebnissen liefert. Lesen Sie mehr darüber im Kapitel „Expertensysteme“. Wenn Sie Fragen haben, nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf: info@psychologischetests.de oder 0046406610510.

Psychologische Tests Online